Mit dem Hainer Stollen am östlichen Hang des oberen Siegbergs besitzt die Stadt Siegen einen international bekannten Erinnerungsort an das Kriegsende 1945. Nach dem Ende der Kampfhandlungen war hier für einige Tage das nur für US-Soldaten geöffnete Golden Arrow Art Museum untergebracht.
Nach „EINER WAHREN GESCHICHTE“ hat der US-Schauspieler George Clooney im Jahr 2013 den Film „Monuments Men“ inszeniert, in dem auch die Stadt Siegen als authentischer Schauplatz kurz in Szene gesetzt wird.
Dies ist die Geschichte der Kunstschätze im Hainer Stollen.
Der langjährige Oberbürgermeister Alfred Fissmer war maßgeblich an der Einrichtung Siegens als Garnisonsstadt beteiligt. Als Leiter des örtlichen Luftschutzes hat er den Bau der zahlreiche Bunker und Stollen organisiert und dadurch vielen Bürgerinnen und Bürgern in den letzten Kriegsjahren das Leben gerettet.
Weniger bekannt ist er in seiner Funktion als Leiter der städtischen Polizeibehörde. Oberbürgermeister Fissmer war auch für alle Maßnahmen verantwortlich, mit denen die Stadtverwaltung in Diskriminierung, Ausgrenzung, Beraubung und Entrechtung der jüdischen Bürgerinnen und Bürger der Stadt Siegen involviert war – bis hin zu den Deportationen in die NS-Vernichtungslager.
Im Sommer 1944 nahm Oberbürgermeister Fissmer Kontakt zu Franz Graf Wolff-Metternich auf. Der Kunsthistoriker und Leiter des Denkmalschutzes im Rheinland war für den Kunstschutz im Reich verantwortlich und zugleich in den Raub von Kunst und Kulturgütern in den von Deutschland besetzten Ländern involviert.
Fissmer bot einen Teil des Stollens „Alte Silberkaute“ als sicheren Aufbewahrungsort der Kunstgüter an. Der alte Eisenerzstollen, der sich unter dem Siegberg verzweigte, war seit 1941 mit 3.000 Plätzen für den Luftschutz ausgebaut worden. Die Eingänge zum Stollen lagen am Lohgraben und am Hainer Hüttenweg.
Die ersten Kunstschätze wurden ab September 1944 nach Siegen gebracht. Weil sich der technische Ausbau der Lagerräume im Hainer Stollen verzögerte, sind sie zunächst in anderen Bunkern zwischengelagert worden.
Am 6. Dezember befand eine Kommission unter Leitung Wolff-Metternichs, dass der Stollen jetzt bereit sei, sodass um den 10. Dezember die wertvollen Kunstschätze der Museen des Rheinlands dort eingelagert wurden – also nur wenige Tage vor dem verheerenden Bombenangriff auf Siegen am 16. Dezember 1944.
Nachdem die alliierten Truppen die Stadt Siegen erreicht hatten und die Aufforderung zur Kapitulation am 1. April 1945 nicht befolgt wurde, begannen die verlustreichen Bodenkämpfe. Unter den vorrückenden Einheiten befand sich auch die Kunstschutz-Einheit der Monuments Men.
Die Kunstschutz-Offiziere Walker Hancock und George Stout betraten am 2. April den Hainer Stollen und schritten durch ein Spalier von Schutz suchenden, teils verängstigten alten Leuten, Frauen und Kindern. Dann öffneten sie die Tresortür zu den eingelagerten Kunstschätzen:
Bilder von Rembrandt, Rubens und weiteren berühmten Malern, Kisten mit kostbaren Utensilien deutscher Kirchen, darunter der Aachener Domschatz mit Krone und Reliquien deutscher Kaiser und Könige.
Als Walker Hancock und Lamont Moore Mitte Mai 1945 im Zuge der Rückführung der Kunstgüter wieder nach Siegen kamen, waren sie nicht wenig überrascht: Die zur Bewachung abgestellte Einheit der 8. Infanterie-Division hatte den Stollen auf eigene Faust zum „Golden Arrow Art Museum“ umfunktioniert, wo Bilder der alten Meister und die Krone Karls des Großen amerikanischen GIs zu Originalmusik Beethovens präsentiert wurden.
Da die Kunstschätze unter den sich verschlechternden klimatischen Verhältnissen dort nicht länger aufbewahrt werden konnten, sorgten die Monuments Men dafür, dass sie wenig später in größere Depots nach Marburg und Wiesbaden zurück in ihre Herkunftsorte oder transportiert wurden. Die Sammlung des Bonner Beethovenhauses und der Aachener Domschatz verließen Siegen am 25. und 26. Mai 1945.
Außer dem unscheinbaren Stolleneingang unterhalb des Hainer Wegs an der Hainer Hütte erinnert heute eine Gedenktafel oberhalb des Stollens im Park des Oberen Schlosses an die Geschichte der Kunstschätze und der Monuments Men zum Kriegsende 1945 in Siegen.
Idee, Konzept, Drehbuch, technische Ausführung: Dieter Pfau
Sprecher: Torsten Föllmer, Sprachaufnahmen: Marcel Barion