Mapping Memories

Erinnerungen verorten.

Textilkaufhaus Gebrüder Herrmann

Die Brüder Eduard und Hirsch, genannt Hugo, Herrmann wohnten seit 1897 in Siegen. Sie waren Kaufleute und als Juden Mitglieder der Siegener Synagogengemeinde. 1898 gründeten die beiden Brüder das Textilkaufhaus „Gebrüder Herrmann“ in der Marburger Straße 5. Um 1900 zogen sie in die Marburger Straße 29 um. Zehn Jahre später erwarben sie auch einige Nachbargebäude und erbauten dort ein neues, modernes Kaufhaus.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialist:innen 1933 verschärfte sich auch für die jüdischen Bürger:innen in Siegen die Situation. Das Textilkaufhaus „Gebrüder Herrmann“ verzeichnete dennoch in den 1930er-Jahren gute Umsätze, da viele Kund:innen weiterhin dort ihre Kleidung bezogen.

Die Verhaftung Eduard Herrmanns im Zuge der Zerstörung der Siegener Synagoge am 10. November 1938 markierte einen Wendepunkt. Eduard Herrmann wurde mit anderen Männern der Siegener Synagogengemeinde, deren Vorsteher er war, ins Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert. Von dort kehrte er am 16. Dezember 1938 zurück nach Siegen. Am 19. Dezember wurde Eduard Herrmann gezwungen, sein Geschäft an den Kaufmann Bernhard Esders aus Bonn, Teilhaber der Firma „Esders & Dickhoff“, zu verkaufen.

Reproduzierte Ansichtspostkarte Marburger Straße um 1900, Stadtarchiv Siegen, Fo 4909
Ladengeschäfte in der Marburger Straße, 1905, Stadtarchiv Siegen, Fo 525

Bericht in der Siegener Zeitung über das neue Geschäftshaus Gebrüder Herrmann, 29.12.1914

„Hoch oben, in unserer alten Stadt, an dem ältesten Verkehrswege, der Marburger Straße, erhebt sich der neue Bau, treulich der heimischen Bauart, in einfachen, edlen Formen. Die hochgeschwungenen Giebel blicken weit in unser schönes Siegerland hinaus. Heimischer Gewerbefleiß hat eine Stätte geschaffen, die unserer Stadt zur Zierde gereicht. Das ganze Haus ist nur für den Geschäftsbetrieb eingerichtet und mit allen neuzeitlichen technischen Hilfsmitteln ausgestattet.“

(Zit. nach: Klaus Dietermann: Jüdisches Leben in Stadt und Land Siegen. Siegen 1998, S. 93f.)

Hugo Herrmann, der Sohn von Eduard Herrmann, schildert den erzwungenen Verkauf des Textilkaufhauses „Gebrüder Herrmann“:

„Mein Vater und ich wurden am 16. Dezember 1938 aus dem Konzentrationslager Sachsenhausen bei Berlin entlassen. Wir wurden am 19. Dezember in das Hotel Kaisergarten bestellt. Da saß dann die gesamte Nazi-Prominenz von Siegen und erklärte uns, daß wir unser Geschäft an diesen Herrn Esders aus Bonn zu verkaufen hätten. Der war Teilhaber der Firma Esders & Dickhoff in Bonn. Wir mußten Herrn Esders das Haus zum Einheitswert verkaufen. Der Preis wurde von diesen Kerlen festgesetzt, da konnte man gar nichts machen. Der Vertrag war von dem Rechtsanwalt Dr. K., wir bekamen den Vertrag und gingen zum Rechtsanwalt Dr. Frey. Der war ein ausgesprochener Gegner der Nazis. Wir haben diesem den Vertrag gezeigt. Der hat dann den K. angerufen und hat gesagt: „Der Vertrag verstößt gegen die guten Sitten!“ Einheitswert und so. Da hörten wir nur, wie der von diesem guten Arier K. angebrüllt wurde. Und dann hat uns Dr. Frey schließlich gesagt: „Ich geb Ihnen einen guten Rat: Unterschreiben Sie!“ Und wir haben unterschrieben und somit war unser Geschäft arisiert. Auf diesen Häusern, die arisiert worden sind, da liegt ein Fluch.“

(Zit. nach: Klaus Dietermann: Jüdisches Leben in Stadt und Land Siegen. Siegen 1998, S. 95)

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