Mapping Memories

Erinnerungen verorten.

Zwangsarbeit und Rüstungsproduktion bei Waldrich

Der Erinnerungsort Werk III Waldrich im unteren Leimbachtal lässt heute kaum noch erahnen, dass dies einer der ältesten Industriestandorte im Siegener Stadtgebiet war. Die Firma Waldrich mit den Werken I und II im Stadtteil Sieghütte hat die Fabrik am Fuß des Häuslings 1936 von der Siegener Maschinenbau AG übernommen.

Der Inhaber Oskar Waldrich trat im Mai 1933 in die NSDAP ein. Aufgrund des unternehmerischen Erfolgs und Ansehens war sein Betrieb 1938 zum Nationalsozialistischen Musterbetrieb und er selbst zum Wehrwirtschaftsführer ernannt worden.

Da ein großer Teil der männlichen Belegschaft ab 1939 Kriegsdienst leisten musste, konnte die Produktion auch bei Waldrich nur noch durch Einsatz von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen gewährleistet werden. Die Zwangsarbeiterlager der größeren Industriebetriebe waren auf einem Stadtplan verzeichnet.

1944 waren in den Lagern der Werke I und II auf der Sieghütte 191 „Ostarbeiter“ untergebracht, darunter 53 Frauen und 17 Kinder. Sie wurden besonders schlecht behandelt. Das Lager mit 61 in Werk III tätigen Kriegsgefangenen befand sich im oberen Leimbachtal unterhalb des Siegener Freibads.

Bei ihren seit 1943 häufiger werdenden Luftangriffen stützten sich die Streitkräfte der Alliierten auf einen präzisen, durch Ergebnisse der Luftaufklärung aktualisierten Stadtplan, auf dem Kasernen, Eisenbahnanlagen und zahlreiche Rüstungsbetriebe hervorgehoben waren. Die Waldrich-Werke I und II wurden dort als „Dr.-Waldrich-KG“ bezeichnet, Werk III im unteren Leimbachtal dagegen als „Unidentified factory“.

Beim verheerenden Luftangriff vom 16. Dezember 1944 sind die Waldrich-Werke I und II weitgehend zerstört worden, Werk III wurde wohl erst bei den Bodenkämpfen Ende März, Anfang April 1945 von der Artillerie der Alliierten beschossen.

Das Werk III der Firma Waldrich war der US-Army offenbar so bedeutsam, dass sie den Umfang der Zerstörung am 10. Mai 1945 von Kameraleuten auf Celluloid festhalten ließ.

Die Kamera schwenkt von der Stadtmitte Richtung Häusling auf Werk III von Waldrich.

Die Fabrikhalle ist noch mit einem Tarnnetz behängt.

Das Innere der zerstörten Werkshalle wird aufmerksam dokumentiert.

Oskar Waldrich ist am 8. April 1945 von amerikanischen Soldaten festgenommen und als Wehrwirtschaftsführer für 14 Monate interniert worden. Ende 1947, kurz nach seiner Rückkehr, hat ihn der Entnazifizierungs-Hauptausschuss Siegen-Stadt als „Aktivist und Militarist“ in Stufe III eingeordnet.

Oskar Waldrich habe dabei die Mitglieder des Ausschusses als „Lumpen“ bezeichnet berichtete eine Siegener Tageszeitung. Er wurde mit einer Vermögens- und Kontensperre belegt und durfte seinen Betrieb zunächst nicht wieder übernehmen.

Im selben Jahr wurde die Firma Waldrich als Rüstungsbetrieb auf die Demontage-Liste der Alliierten gesetzt. Etwa 40 Prozent der in Werk III befindlichen Werkzeuge und Maschinen sind demontiert und als Reparationsleistungen an die Siegermächte ausgeliefert worden.

1948 hat Oskar Waldrich gegen die erstinstanzliche Entscheidung zur Entnazifizierung Berufung eingelegt. Am 3. Februar 1949 ist er vom Berufungsausschuss Siegen-Olpe-Wittgenstein entlastet und in die Kategorie IV ohne Vermögenssperre eingestuft worden, sodass er mit dem Wiederaufbau seiner Firma beginnen konnte.
1950 war ein Großteil der Maschinenbaufabrik wieder in Betrieb, das neue Verwaltungsgebäude im unteren Leimbachtal war 1952 fertig gestellt. Waldrich stieg zu einem führenden Unternehmen des Großmaschinenbaus auf.

Vier Jahre nach dem Tod Oskar Waldrichs übernahm die Firma Ingersoll 1971 das Unternehmen und verlegte es nach Neunkirchen-Burbach. 1979 erwarb die Stadt Gelände und nutzte das Gebäude als Rathaus Siegen II. Nach dem Scheitern der Pläne eines Kultur- und Medienzentrums erwarb der Kreis Siegen-Wittgenstein 1996 das Gelände und ließ es im Jahr darauf abreißen.

2006 wurde das Gebäude für KFZ-Zulassungsstelle und die Kommunale Datenzentrale errichtet, auf dem benachbarten Gelände eröffneten 2010 das Plektrum-Hochhaus und ein großer Lebensmittelmarkt.


Idee, Konzept, Drehbuch, technische Ausführung: Dieter Pfau

Sprecher: Torsten Föllmer, Sprachaufnahmen: Marcel Barion

Informationen

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